Haareis – Waldimpuls

Filigrane Kunstwerke aus Eis

Haareis, dass ein Pilz namens rosagetönte Gallertkruse erzeugt, indem er bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt Wasser aus Totholz nach außen drückt. Das Wasser gefriert zu haarartigen feinen Fäden.

Es kommt immer mal wieder vor, dass ich Dinge im Wald entdecke, die ich noch nie zuvor wahrgenommen habe und die mir ein Rätsel aufgeben. Kurz nachdem ich angefangen hatte, mich intensiv mit dem Wald zu beschäftigen, hatte ich genau einen solchen Moment erlebt. Ich war nach einigen Regentagen im Winter im Wald unterwegs, als plötzlich etwas Schnee-weißes aus dem braunen und grau-schwarzen Waldboden hervorstach. Als ich es näher betrachtete, entdeckte ich ein ganz graziles, schneeweißes Gebilde an einem Ast, der am Boden lag. Ich war neugierig. Was kann das sein? Ich dachte an ein Stück Fell, denn das Ganze sah so ähnlich wie gescheitelte Haare aus. Ich fasste es an und war überrascht, dass sich alles zwischen meinen Fingern auflöste. Damit hatte ich nicht gerechnet. Haare waren es also definitiv nicht. Aber was dann? Als nächstes kam mir Eis in den Sinn. Es fühlte sich auch so an und meine Finger rochen nach waldigem Wasser. Aber weshalb sollte das Eis in Form von Haaren wachsen? Ich ging nach einer Weile ratlos weiter und entdeckte noch mehr von dem spannenden Material, das auf wundersame Weise wie Haare wuchs und wie Eis schmolz.

Haareis an einem Totholzast, an dem ockerfarbene Pilze wachsen.

Ich vergaß meine Entdeckung im Wald, bis sich eines Tages das Rätsel ganz unerwartet löste. Während einer Fortbildung sprach eine Kollegin von genau diesem Eis im Wald. Ich war sofort hellhörig und hörte zu. Sie hatte sogar schon beobachtet, wie die Eishaare gewachsen sind. Jetzt hatte sie mich voll und ganz in ihren Bann gezogen.

Es stellte sich heraus, dass es sich tatsächlich um Haareis handelt. Aber was dahinter steckt, hat mich noch mehr überrascht. Im Totholz lebt ein Pilz, der einen etwas sperrigen Namen trägt: die rosagetönte Gallertkruste. Jetzt war ich gespannt zu erfahren, was der Pilz mit dem Haareis zu tun hat.

Die rosagetönte Gallertkruste, lebt im Totholz. Wenn das Holz im Winter zu frieren beginnt, wendet der Pilz einen besonderen Trick an, um zu verhindern, dass das in ihm enthaltene Wasser gefriert und seine Zellen zum Platzen bringt. Er drückt das Wasser aus seinem Pilzgeflecht nach draußen. Das geschieht durch sehr feine Poren im Holz. Wenn die Luft eine hohe Luftfeuchtigkeit hat und außerhalb des Totholzes Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt herrschen, wachsen auf dem Totholz ganz feine Eishaare, die mal geringelte, mal gescheitelte, mal watteartige Formen bilden. Wer Glück hat, kann sogar beim Wachsen zuschauen. Ist das nicht genial?

Haareis besteht nur für den Moment, der erste Sonnenstrahl lässt es schmelzen und niemand kann erahnen, welches Kunstwerk er gerade verpasst hat.

Wenn die Luftfeuchtigkeit und die Temperatur stimmen, bleibt also bitte nicht auf dem Sofa liegen, sondern geht raus in den Wald. Es warten spannende Dinge auf Euch 🙂

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